Die Notwendigkeit eines Kinderstreits und alltagstaugliche Tipps, wie Sie mit Kinderstreit umgehen können
Im ersten Teil haben wir erfahren, dass es wichtig ist, dass sich Kinder streiten, auch wenn dies für Eltern und Großeltern oft schwer auszuhalten ist.
Kinderstreit ist wichtig und diese Erkenntnis hilft, damit angemessen umzugehen.
Kinderstreit ist notwendig für die soziale Entwicklung. Kinder müssen lernen, sich in der Gruppe zu behaupten, sich durchzusetzen aber auch zurücknehmen zu können. Sie lernen ihre Bedürfnisse zu formulieren und können sich Anerkennung verschaffen. Gleichzeitig kann auch das Durchhaltevermögen im Konfliktfall erprobt werden. Die Kinder erleben sich beim Streit als handelnde Person innerhalb einer Gruppe und spüren, dass sie eine Wirkung erzielen.
Kinderstreit ist notwendig für die Entwicklung der Selbstkompetenz. Das Kind erprobt die eigenen Fähigkeiten und lernt sich gegenüber einem anderen Kind zu behaupten. Gleichzeitig lernt es auch Misserfolge zu verkraften und eine Sache von verschiedenen Seiten zu betrachten. Neben Ausdauer und Konfliktlösungsmöglichkeiten lernt es zudem, mit Ängsten zurechtzukommen, Angriffe auf die eigene Person abzuwehren und Enttäuschungen zu verarbeiten.
Kinderstreit ist notwendig für die Alltagsstruktur und das Regelverständnis. So lernt das Kind in den Aushandlungssituationen eine Tagesstruktur zu akzeptieren. Es erlebt sich selbst als jemanden, der auf seinen Tagesablauf Einfluss nehmen kann und sich gegebenfalls der vorgegebenen Struktur anpasst.
Eltern und Großeltern, die diese Notwendigkeiten erkannt haben, können mit Konfliktsituationen zwischen den Kindern besser umgehen.
Beobachten Sie zunächst die Streitsituationen und verfolgen Sie die Entwicklung der Kinderstreitigkeiten. Versuchen Sie, sich unbeobachtet ein Bild zu machen, weswegen es zum Streit kam und welche Herausforderung dabei an die einzelnen Kinder gestellt werden. Lassen Sie genug Raum, dass die Kinder ihre eigenen Strategien ausprobieren dürfen.
Fragen Sie sich, was die Kinder aus diesem Streit lernen können und was für das Kind dabei wichtig ist.
Bei Konflikten, die sich häufig wiederholen, ist es wichtig zu entscheiden, ob die Kinder diese Konflikte schon allein bewältigen können oder ob sie Hilfe von dem Erwachsenen benötigen.
Wenn Sie merken, dass die Konflikte nicht gelöst, Kinder vielleicht sogar unterdrückt werden, muss der Erwachsene eingreifen und mit den streitenden Kindern sprechen.
Zu vielen Konflikten gibt es Beispielgeschichten und Bilderbuchbetrachtungen, um auf ein Problem aufmerksam zu machen. So können die Kinder abgekoppelt von vielleicht persönlichen Beziehungsmustern ein eigenes Problembewusstsein, Ideen und Bewältigungsstrategien entwickeln.
Wird ein Streit gewaltsam ausgetragen, muss dieser unverzüglich beendet werden. Wichtig ist es, im Nachgang mit den Kindern darüber zu sprechen, was Auslöser für die Eskalation des Streits war. So können neue gewaltlose Strategien mit den Kindern ausgehandelt werden, die den Kindern aufzeigen, wie sie sich auf andere Weise durchsetzen und ihre Wünsche vertreten.
Verbieten Sie Ihrem Kind bitte nicht mit bestimmten Kindern nicht zu spielen. Sie nehmen Ihrem Kind dadurch die Möglichkeit, selbst zu entscheiden, welche Spielkameraden es wählt und was am Streit wichtig ist. Oft machen sich Kinder im Nachgang wenig aus dem Streit- wo heute erbittert gestritten wurde, ist morgen die beste Freundschaft.
Erwirbt ein Kind beim Streiten neue Kompetenzen für seine Person und kann neue Erfahrungen machen, so ist Streiten also ein wichtiges Element der Persönlichkeitsbildung. Wird es aber durch Streitsituationen geschwächt, abgestumpft oder abgewertet, ist der Streit schnellstmöglich zu beenden.
Als Erwachsene und “Vor-bilder” sind wir selbst immer wieder aufgerufen, unser eigenes Verhalten zu hinterfragen. Kinder beobachten sehr genau, wie wir mit schwierigen Situationen umgehen, wie wir bereit sind, den anderen und seine Argumente anzuhören und wie wir versuchen gemeinsam eine Lösung zu finden.
Ihre Madlen Haß
