„Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmer mehr.“
So viele Menschen und auch Eltern wissen, dass wir mitten in einem Tsunami der Inaktivität unserer Kinder und Jugendlichen sind. Dies ist jedoch kein Vorwurf, sondern lediglich meine Einschätzung des Status Quo unseres Nachwuchses. Wir werden die Digitalisierung nicht stoppen und dies ist auch nicht der richtige Zeitpunkt um eine Bewertung unseres heutigen Lebens abzugeben, aber eines ist gewiss, wir benötigen gute Konzepte und Strategien um den kleinen Menschen eine Kompensation dieses Lebensstils zu ermöglichen.
Besonders die orthopädischen Probleme, die wir oft erst im späteren Leben bemerken und zu spüren bekommen, haben ihren Ursprung im Kindesalter. Hier möchte ich euch liebe Eltern, Übungsleiter, Trainer, Lehrer, usw. an das gute alte Sprichwort: „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr“ erinnern.
(Hyper-) Kyphose als Ursache
Von Geburt an entwickeln wir durch v.a. einseitige Alltagsbelastungen Muskeldysbalancen, die sich in Fehlhaltungen und daraus resultierende Rückenschmerzen zeigen. Wir sind eine Sitzgesellschaft geworden, machen uns selbst viel Druck und Stress und das spiegelt auch unsere Körperhaltung wieder. Von allen Fachleuten und Spezialisten wird anerkannt, das die „Volkskrankheit Rücken“ auf ein schwer definierbares Ungleichgewicht zwischen Körper, Psyche und Seele zurückzuführen ist. Auch Kinder leiden zunehmend an Rückenschmerzen und haben gerade in der Wachstumsphase in fast allen Fällen Haltungsschwächen. Deshalb ist es in diesem Alter besonders wichtig, gezielt aus der Brustwirbelsäule die gesamte Wirbelsäule aufzurichten und somit die Haltung zu verbessern.
„Die Wirbelsäule durchläuft während des Größenwachstums verschiedene Stadien. Im Säuglingsalter bildet sie eine C-förmige Krümmung (=Rundrücken). Mit Beginn des zweiten Lebensjahr etwa ist die LWS gestreckt und ab dem 3. Lebensjahr bilden sich die Gegenschwingungen der LWS sowie HWS aus. Bis zum 10. Lebensjahr hat die Wirbelsäule dann ihre typische Doppel-S-förmige Krümmung, die erst die Vollbelastung ermöglicht.
In der Zeit des Wachstums, insbesondere im präpubertären (8-11 Jahre) Wachstumsschub, stellen die Wachstumszonen (=unteren und oberen Begrenzungsplatten der Wirbelknochen) die schwächsten Punkte in der Wirbelsäule dar. Dazu kommt die ungünstige Dauerbelastung des Sitzens in der Schule dazu. Die Bandscheibe ernährt sich durch einen ständigen Wechsel von Belastung und Entlastung (ähnlich wie ein Schwamm als Pumpmechanismus) und durch einseitige Dauerbelastungen schon im Kindesalter sind degenerative Veränderungen und schliesslich Bandscheibenproblemen und Rückenbeschwerden vorprogrammiert.
Verantwortlich für die Aufrichtung der Wirbelsäule ist insbesondere die Rückenmuskulatur. Eine kräftige Bauchmuskulatur wirkt einer übermäßigen LWS-Lordose entgegen und verringert eine zu starke Beckenkippung, die typisch für eine schlechte Haltung ist.
Die Füße und Beine stellen die Fundamente der Wirbelsäule dar. Störungen in Sprung-, Knie- und Hüftgelenken können weiterleitend schädigende Auswirkungen auf die Wirbelsäule haben.“
Quelle: Hans-Dieter Kempf / Dr. Jürgen Fischer Rückenschule für Kinder
Im Folgenden erläutere ich ihnen den Armvorhaltetest nach Matthiass. Dieser Test eignet sich perfekt, um muskuläre Defizite im Bereich der Wirbelsäule zu ermitteln.
- 1. das Kind auffordern die aktive aufrechte Haltung einzunehmen (Bauch leicht einziehen und die Schultern zurück nehmen)
- 2. beide Arme in die Horizontale nach vorn strecken lassen in dieser Stellung soll das Kind 30 Sekunden bleiben und die Arme gestreckt halten
Hierbei das Kind von der Seite betrachten (es ist günstig, wenn das Kind vor einer Wand mit einer senkrechten Linie steht).
Beim haltungsgesunden Kind soll sich der Rumpf nicht nach hinten verlagern und das Becken nicht nach vorn verschoben werden.
- 1. Darauf achten ob die Arme in der Horizontalen bleiben
(=muskelkräftiges Kind) oder langsam nach oben wandern
(=muskelschwaches Kind).
- 2. Darauf achten ob Schulterblätter am Rumpf anliegen
(=muskelkräftiges Kind) oder zunehmend abstehen
(=muskelschwaches Kind)
Auswertung: Keine Haltungsschwäche wenn Arme in Horizontale gehalten werden können, Schulterblätter nicht abstehen; weder Rumpf nach hinten, noch Becken nach vorn ausweichen; d.h. es ist ein deutlicher Unterschied zwischen der Ruhehaltung und der aktiven Aufrichtung.
Bei der erstgradigen Schwächung zeigt sich kein deutlicher Unterschied zwischen Ruhehaltung und aktiven Aufrichtung. Es zeigt sich ein langsames Rückwärtsneigen des Oberkörpers, Becken weicht nach vorn aus sowie leichtes Anheben der Arme.
Bei der zweitgradigen Schwächung besteht kein Unterschied zwischen der Ruhehaltung und der aktiven Aufrichtung. Bereits beim Anheben der Arme weicht der Rumpf nach hinten ab, das Becken kippt nach vorn und die Arme werden bereits nach schräg oben gehalten.
Ihr Mirko Fünfstück