Die Hauptursache der aktuellen Finanzkrise liegt in der um sich greifenden Versuchung, Geld nur mit Geld und nicht mit Wertschöpfung von Waren und Dienstleistungen zu verdienen. Besonders schwerwiegend ist die Tatsache, dass diese Entwicklung auch noch mit geliehenem Geld verschlimmert wurde. Diese Mentalität der Ohne-Wert-Schöpfung breitet sich in unserer Gesellschaft wie ein Krebsgeschwür aus. Das Shareholder Value Prinzip, also die Ausrichtung des Unternehmenserfolges auf eine Maximierung des Gewinns, hat die Fehlleitung von wirtschaftlichen Ressourcen, die heute unter anderem in der Zerstörung unserer Umwelt sichtbar werden, hervorgerufen. Diese reine Gewinnorientierung verhindert Investitionen und Innovationen. Geldgetriebenheit, sichtbar in Bonussystemen mit falschen Anreizen, haben uns an den Rand des wirtschaftlichen Zusammenbruchs geführt. Gewinn und Wachstum sind wichtige Kennzahlen auf dem Weg zu wirtschaftlichem Erfolg, aber sie genügen bei weitem nicht. Sie sind nicht die Ziele wirtschaftlicher Aktivität, sondern die Folge.
Teil 2 DER KAPITALISMUS – EINE EINZIGE KRISE
Die landläufige Meinung ist, dass Krisen nur durch äußere Faktoren, wie Kriege oder Katastrophen, ausgelöst werden können, die mit der Wirtschaft als solches nichts zu tun haben. Minsky setzt dem entgegen, dass Finanzkrisen zum kapitalistischen Wirtschaften gehören – also aus dem System selbst entstehen. Kurz gesagt: Im Kapitalismus ist die Krise immer vorprogrammiert. Wirtschaftsexperten sind seit langem von diesen immer wieder auftretenden Systemkrisen fasziniert. Der Grund für dieses Interesse liegt darin, dass die Beständigkeit der Krisen und die daraus resultierenden Zusammenbrüche sich der heiligsten Hypothese widersetzt, auf der die gesamten Wirtschaftswissenschaften aufgebaut sind: Märkte sind rational, sie werden vom völlig rationalen Homo oeconomicus gesteuert. Das Konzept des „Homo oeconomicus“ ist der psychologische Grundpfeiler der Wirtschaftswissenschaften. Definiert wird er als „rational handelndes Individuum“. Das bedeutet, dass der Mensch eine bestimmte Vorstellung davon hat, wie die Ökonomie funktioniert und dass er immer vernünftig handelt. Doch Menschen wissen nie genau, welches ökonomische Modell wahr ist und welche Folgen ihre Handlungen haben. Daher neigen sie dazu, sich den anderen anzupassen. Der sogenannte Herdentrieb ist ein solcher Denkfehler. Und so kann sich die ökonomische Realität ganz anders entwickeln als gedacht und den Menschen schnell um die Ohren fliegen.
Mit steigender Wirtschaftskraft steigen natürlich auch die Gewinn-erwartungen und damit die Vermögenspreise. Mit der Aussicht auf höhere Gewinne verschulden sich die Akteure stärker, um sich neues Kapital, ein Häuschen oder Aktien zu kaufen. Die Leute werden immer unvorsichtiger – sie unterschätzen die Risiken und überschätzen die Gewinn- und Renditeerwartungen; gleichzeitig steigt die Verschuldung. An diesem Punkt braucht es nur noch eine kleine Erschütterung, und das System stürzt in sich zusammen. Bleiben die Gewinne plötzlich hinter den immer höheren Erwartungen zurück, fallen die Vermögenspreise und die Marktteilnehmer gehen reihenweise Pleite. Dann bekommen auch die Banken Angst und verweigern Kredite. Die Liquidität versiegt und bringt die Spekulanten in Bedrängnis. Am Ende steht ein Verfall der Vermögenspreise, Massenpleiten, ein Rückgang der Investitionen und die Deflation. Das instabile Finanzierungssystem reißt die reale Wirtschaft mit in den Abgrund. Arbeitslosigkeit und Wohlstandseinbußen sind die logischen Konsequenzen aus dieser Entwicklung. Die bisherigen Maßnahmen zur Lösung der Finanzkrise haben zwar einen Zeitgewinn gebracht, aber so gut wie keine der Ursachen wurde dadurch beseitigt. Mit den riesigen Finanzmitteln hat man die alten Strukturen zementiert, statt die nötigen Veränderungen herbeizuführen.
Goldige Grüße
Ronny Wagner