Der Mensch verfügt über erstaunliche Sinne, doch unser Sehsinn – oder auch unser visuelles System – ist der wohl erstaunlichste in dieser Gruppe.
Mithilfe dieses Systems können wir Millionen von Farbtönen unterscheiden, Objekte und Personen erkennen, Formen, Bewegungen und Helligkeitsunterschiede wahrnehmen.
Ein langer Weg
Um all das zu ermöglichen, finden in unserem Kopf allerhand komplizierte Vorgänge statt, die natürlich mit dem Auge beginnen. Licht aus unserer Umwelt trifft auf das Auge und wird von der Hornhaut und der Linse gebrochen und auf die Retina (Netzhaut) übertragen. Diese Lichtinformationen in Form elektromagnetischer Wellen werden dann von den Sinneszellen der Retina in Nervenimpulse umgewandelt und an den Sehnerv geleitet. Hinter den Augen überkreuzen sich rechter und linker Sehnerv und so erhalten beide Gehirnhälften Informationen von beiden Augen, was wichtig für das räumliche Sehen ist. Über das Zwischenhirn entstehen dann blitzschnell Bilder im Sehzentrum des Großhirns (Okzipitallappen).
Natürlich ist dies eine grob vereinfachte Darstellung unserer Sehfähigkeiten. In der Realität sind noch weitere Strukturen einbezogen und das Sehen ist neben der Wahrnehmung und Darstellung von Bildern für weitere menschliche Fähigkeiten wichtig. So hat das visuelle System direkten Einfluss auf die Lernfähigkeit und das Verhalten eines Menschen. Auch kann eine visuelle Verarbeitungsstörung den Symptomen von ADHS, ADS und LRS zugrunde liegen.
Hemisphärenspezifisch
Das Sehvermögen stammt aus unserem Okzipitallappen. Hier erhält der rechte Lappen visuelle Informationen (neuronal) von der linken Hälfte beider Augen und der linke Lappen von den rechten Hälften beider Augen. Es erscheint etwas kompliziert, aber im Prinzip erhalten die Okzipitallappen beider Gehirnhälften Informationen von beiden Augen, nur eben immer gegenteilig seitenspezifisch.
Sind jetzt die Hirnhemisphären nicht im Gleichgewicht, arbeiten auch die Okzipitallappen nicht synchron. Damit findet keine übereinstimmende Sicht der Welt statt und das Gehirn kann die Bilder nicht „übereinanderlegen“. Das nennt sich auch Konvergenzinsuffizienz.
Es gilt einmal mehr „Survival of the Fittest“, d.h. in diesem Fall ignoriert das Gehirn die schwache Seite und wir nehmen nur wahr, was die starke Seite uns übermittelt.
Hinzukommen können:
- Schwierigkeiten mit der räumlichen Wahrnehmung
- Lichtempfindlichkeit
- Unfähigkeit zu schielen
- reduziertes Sichtfeld
- Schwierigkeiten mit Zusammenhängen
Für optimales Sehen müssen beide Augen übereinstimmend arbeiten. So ist eine langsame Augenbewegung für das Lesen eines Buches wichtig, während der schnelle Entfernungswechsel für das Abschreiben von der Tafel ins Heft vonnöten ist.
Um es stark vereinfacht darzustellen: Weisen die linke und rechte Gehirnhälfte ein Ungleichgewicht auf, ist auch die visuelle Verarbeitung gestört und das kann Probleme wie Konzentrationsstörungen, motorische Unruhe, Lernschwierigkeiten, Verständnisprobleme, Integration gelernter Inhalte, Redefluß, Augensensibilitäten, LRS sowie auch Verhaltensauffälligkeiten und psychologische Probleme verursachen.
Wie kann man Probleme mit einem Gehirnungleichgewicht und der visuellen Verarbeitung möglicherweise beheben?
Durch gezielte Augenübungen und Hemisphären-Integrationstraining können die visuelle Verarbeitung, Augenfunktion und damit auch Aufmerksamkeit, Fokus und erfolgreiches Lernen verbessert werden.
Ihr Thomas Weidauer